Godspeed

Briefe an die Kinder


Der kleine Mensch und die großen Fragen

Um über die Rätsel des Lebens und den dazugehörigen Erkenntnissen zu zu schreiben zu beginnen, eignet es sich, nach den ganz großen Fragen zu greifen und nach den kleinen Antworten zu suchen.

Eine der klassischen Fragen der Philosophie ist die nach dem Sinn des Lebens: „Aus welchem Grund und zu welchem Zweck bin ich hier auf diesem Erdball?“

Dieser Frage haben sich unzählige kluge Menschen in vielen Epochen immer wieder gewidmet. Kam dabei Gott als Teil der Antwort ins Spiel, entstanden Weltreligionen und es wurde sehr, sehr ernst.

Ich kann keine Antwort auf diese existenziellen Fragen geben, dazu reicht weder meine Bildung, noch mein Verstand aber vor allem nicht mein Selbstbewusstsein aus. Andersherum formuliert: Zu jedem Versuch einer Antwort würden sich sofort so viele Zweifel an deren Richtigkeit gesellen, dass die Antwort am Ende einer neuen Frage gleichkommt.

Wenn ich über diese Fragen nachdenke, dann hat das wie bei vielen anderen Menschen einen eher praktischen Hintergrund. Ich denke ab und an darüber nach, was ich beabsichtigen könnte zu tun.
Was könnte ich wollen?

Ließe sich also durch praktisches Handeln in der realen Welt die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens finden?

Dies ist eine elegante Wendung, um zumindest für sich selbst aus einer existenziellen philosophischen Frage eine lebenspraktische zu machen. Nun steckt die große Frage bedauerlicherweise bereits in der kleinen. Auch wenn sie sich tarnt, entdeckt man sie hinter dem eigenen Wollen.

Ist doch die Auswahl an Attraktionen auf dem Jahrmarkt der Lebensmöglichkeiten insbesondere für junge Menschen sehr groß, so groß ist eben auch das Entscheidungsproblem. Die Fülle an Möglichkeiten bietet eben doch auch Gelegenheit, an der Entscheidungsvielfalt zu verzweifeln.

Welchen Grund könnte man haben, an der Vielfalt der Möglichkeiten zu verzweifeln? Wenn man sich für etwas entscheidet, steckt darin häufig auch eine Entscheidung gegen etwas anderes. Es gibt bei jeder Alternative einen Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Dieser Zweifel macht das Entscheiden schwer und für manchen sogar unmöglich.
Die eingangs gestellte Frage mag nun also anders lauten, sie ist aber noch immer schwer zu beantworten.

Die Ökonomen versuchen, diesem Problem mit der Entscheidungstheorie zu begegnen und behaupten, es ließe sich die objektiv richtige Wahl durch vernünftiges Abwägen der Vor- und Nachteile treffen, ja diese sogar durch Berechnung des Erwartungswertes eindeutig, weil mathematisch, ermitteln. Diese krasse Vereinfachung ist sogar in der nüchtern auf den Profit begrenzten Welt der Wirtschaft zuallermeist falsch, im echten Leben, also dem des Lesers, greift dieser Gedanke vollends daneben. Warum?

Der moderne Mensch neigt dazu, seine Wirksamkeit und seinen Einfluss auf den Lauf der Dinge falsch einzuschätzen.

„It is not cowardice but courage to acknowledge the superior role chance plays in steering the course of life, and at the same time to take responsibility for the margin of difference our personal choices do make within the parameters of chance.“

aus „Figuring“ von Maria Popova

So ist die erfolgreiche Entwicklung beispielsweise eines Unternehmens häufig auf richtige Entscheidungen der verantwortlichen Manager zurückzuführen – zumindest nach deren eigener Aussage -, eine unerfreuliche Entwicklung des selben Unternehmens jedoch würde von ebengleichen Managern eher den schicksalhaften Kräften des trotz heroischem Einsatz jedes Einzelnen nicht beeinflussbaren Marktes zugeschrieben.

Ähnlich geht es auch in den Köpfen der Menschen hinsichtlich der eigenen Lebensentscheidungen zu: Sie überschätzen die Relevanz der eigenen Entscheidungen und sie unterschätzen die eigene Verantwortung wenn etwas schief geht.

Können wir diese Erkenntnis nutzen, um unserem Entscheidungsproblem zu entkommen?


Zweierlei ist zu tun.

Wir dürfen erstens die Entscheidung für oder gegen eine Alternative nicht als alles entscheidend betrachten. Es ist zunächst einmal nur eine Entscheidung. Es gibt keinen vernünftigen Grund zu glauben, das diese eine Entscheidung auf einen Schlag alle zukünftigen Weichen stellen wird.

Entscheidend beim Entscheiden ist das vielmehr das Entscheiden selbst. Die Bereitschaft, eine Entscheidung zu treffen ist von größerer Bedeutung als der Inhalt der Entscheidung.

Also können wir ohne weiteres Nachdenken die Würfel oder einen Dartpfeil werfen und so genauso gut den Zufall für uns entscheiden lassen?

Ganz so einfach ist es nicht. Denn zweitens müssen wir die Verantwortung für die Folgen unserer Entscheidung übernehmen. Hierbei geht es nicht um eine Schuldzuschreibung an sich selbst, sondern das klare Gegenteil. Da wir Entscheidungen unter großer Unsicherheit treffen und deshalb die Fähigkeit unter eben dieser Unsicherheit zu entscheiden als hohes Gut bewerten, dürfen wir uns für die sich im Nachhinein vermeintlich oder sicher als falsch herausstellenden Entscheidungen nicht geißeln.

Gerade wenn zwischen Entscheidung und Tag der Bewertung einige Zeit vergangen ist, unterliegt die Bewertung einer Vielzahl neuer Parameter und Informationen. Sie beinhaltet das Verhalten und die Reaktionen anderer Menschen und damit eine so komplexe Situation, dass es geradeheraus selbstüberschätzend wäre, man hätte all dies antizipieren müssen oder können.

Kurz: Es macht keinen Sinn, sich über falsche Entscheidungen zu ärgern. Es macht aber sehr viel Sinn, sich sofort mit den Folgen auseinanderzusetzen und die Verantwortung hierfür zu übernehmen. Aus dieser Verantwortung erwächst wiederum das Selbstvertrauen, neue Entscheidungen treffen zu können und eben nicht der Selbstzweifel, nach einer falschen Entscheidung sicherheitshalber gar keine mehr zu treffen.

Können wir über diese verschlungenen Wege zurückkehren zur existenziellen Frage nach dem Warum?

Sie lässt sich zumindest in einer Variante beantworten, wenn man fragt: Wie sind wir hier?

Der Mensch in der Freiheit seiner Entscheidung ist zwar im Universum ganz klein und von nicht zu überschätzender Irrelevanz, aber die Fähigkeit zu entscheiden, aktiv zu handeln, macht ihn zu etwas sehr besonderem. Wie wir handeln ist gleichzusetzen mit dem, wie wir leben. Warum auch immer wir hier sind, es spielt eine kleinere Rolle, wenn wir uns bewusst machen, dass wir wenn wir schon einmal da sind, unserem Lebenskreis durch Handeln, das Treffen von Entscheidungen den eigenen Stempel aufdrücken können.

Freiheit?


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Über MICH

Mein Name ist Philipp, ich bin 1976 geboren und lebe als Unternehmer und Vater dreier Kinder in Ratingen. Als Volkswirt und Wirtschaftsingenieur gehörten eher Zahlen als Texte zu meiner Ausbildung und heute als Geschäftsführer auch zu meinem Arbeitsalltag. Die Liebe zum geschriebenen Wort lässt mich seit Jahrzehnten ein Buch nach dem anderen lesen. Den Wunsch, den ein oder anderen eigenen Gedanken festzuhalten, hat zu diesem Blog geführt.